Der Titan von – Marzahn

Der Titan von – Marzahn

Hinsichtlich der maximal möglichen Hubleistungen ein Ladekran wie der Fassi F1150 nicht an vorderster Stelle.
Seinen großen Wert beweist er vielmehr als äußerst flexibler und schnell einsatzfähiger Hilfskran sowie bei vergleichsweise leichten Einsätzen

An einem grauen Donnerstagvormittag Anfang Dezember steht sich Holger Fließ die Beine in den Bauch. Neben seinem Dienstfahrzeug, einem Volvo FH 540 mit Fassi-F1150-Ladekran, wartet er im rückwärtigen Bereich eines langgestreckten, gesichtslosen Rohbaus darauf, endlich mit der Arbeit loszulegen. Das mit Blick auf die sich in einiger Entfernung in den Himmel streckenden Plattenbauten von Marzahn entstehende Gebäude gehört dem Unternehmen Swissbit, das an dieser Stelle seinen neuen Deutschlandsitz errichtet.

Bereits im Laufe des nächsten Jahres will man auf dem Cleantech Business Park in Marzahn die Produktion von Flash-Speichermedien aufnehmen. Irgendwann soll hier Berlins größtes zusammenhängendes Industrieareal entstehen. Noch allerdings gibt es vor Ort, so weit das Auge reicht, nichts als vertrocknetes Unkraut und niedrige Sträucher. Und an eben diesem ersten Neubau, wie an einer dort bereits aufgebauten Stahlkonstruktion zu erkennen ist, soll an dessen Rückseite eine überdachte Ladezone entstehen.

DER NEUE BEI MOBI-HU

Doch zurzeit ist an diesem abseitigen Bereich der Baustelle keine Aktivität zu verzeichnen. Beste Gelegenheit also, das Kranfahrzeug genauer zu inspizieren. Die Ladefläche des Vierachsers mit dem Fassi-Kran baut ausgesprochen niedrig und verfügt daher hintenüber eine tief liegende Abstützung. Eine unterhalb des Kühlergrills angeordnete, voluminöse Abdeckung beherbergt zudem eine per Hilfsrahmen nach vorne geführte fünfte Abstützung. Das wie der Rahmen des Aufbaus orange-gelb lackierte Fahrerhaus gibt zudem Aufschluss, mit wem man es hier zu tun hat: Mobi-Hub steht da in blauen Lettern, daneben eine Zeichnung von der Front eines schweren Mobilkrans. Mobi-Hub, das sei an dieser Stelle nachgereicht, ist ein kurz nach der Wende 1994 gegründeter Krandienstleister, der im Großraum Berlin seit Jahren eine echte Instanz darstellt. Das Unternehmen betreibt eine ganze Flotte von Mobilkranen, deren Leistungsspektrum bis zu einer Tragkraft von 1000 Tonnen reicht. Daneben zählen zahlreiche Lkw mit Ladekran und etliche Schwerlastzüge zum Einsatzbestand. Auf die Zugehörigkeit zu einem Kranunternehmen indes dürfte auch ein nicht unbedingt alltägliches Detail des F1150-Ladekrans zurückzuführen sein: Sein Knickarm verfügt über eine Winde und am letzten Ausschub ist statt eines festen Hakens eine vierfach gescherte Flasche montiert. Damit büßt der Kran eine der Stärken moderner Ladekrane – die starre Führung des Hakens – ein, kann auf der anderen Seite hinsichtlich seiner Vielseitigkeit allerdings auch eindeutige Vorteile verbuchen. „Was willst du denn machen, wenn es gilt, etwas hinter einem Hindernis aufzunehmen oder abzusetzen?“, antwortet Fließ auf die Frage, warum sich seine Firma für eine Ausführung mit Winde entschieden habe.

DIGITALE SYSTEME

Offensichtlich also kein Grund, darüber nachzudenken. Vielmehr beschäftigten ihn da schon die ganzen neuen Features, die der auf dem FH 540 montierte F1150- Kran biete, den sein Arbeitgeber jüngst als Ersatz für ein vor kurzem abgestoßenes Fahrzeug mit demletztlich nicht überzeugenden Kran eines Fassi-Mitbewerbers angeschafft hatte. „Der Kran hat sogar eine Automatik für das Ausfalten des Krans, da brauchst du Hubarm und Knickarm nicht mehr einzeln ansteuern. Und er zeigt dir auf dem Display auch, in welche Richtung du welche Hubleistung abrufen kannst. Man sieht genau, da hinten die rechte Stütze habe ich nicht voll ausgefahren, weil sie der Hauptarbeitsseite gegenüberliegt. Hier komme ich nur auf 80 Prozent.“ Verglichen mit den enormen Hubleistungen der schweren Fahrzeugkrane von Mobi-Hub, wirkt der auf dem Vierachser montierte Fassi F1150 eher wie ein Hilfskran. Und genau das ist letztlich auch seine Hauptaufgabe: Wie sein Vorgänger soll er in erster Linie beim Aufbau der Leistungsträger des Unternehmens assistieren, wenn diese einmal mehr irgendwelche Brücken oder Teile von Windkraftanlagen an ihren Bestimmungsort hieven. Was natürlich nicht ausschließt, sich auch einzig des F1150 zu bedienen, wenn, wie heute auf dem Cleantech Business Park, keine gigantischen Hubleistungen gefordert sind.

MONTAGE DER ÜBERDACHUNG

Das allerdings, was dem F1150 heute abverlangt wird, kann bei einem 90-Tonnenmeter-Kran nur noch als Peanuts verbucht werden. Denn Fließ und seine Kran-/ Fahrzeugkombi wurden heute lediglich gebucht, um einen Schwung rund 10 Meter langer, höchst labiler Alu-Trapezbleche auf genau jene Stahlkonstruktion zu heben, welche die künftige Ladezone des Swissbit- Standorts überspannt. Dem Beginn der Arbeiten steht unterdessen ein falsch geliefertes Werkzeug zur Montage der Paneele entgegen, welches nicht mit dem vorhandenen Befestigungsmaterial gefüttert werden kann. So ist der fünfköpfige Montagetrupp in alle Himmelsrichtungen auseinandergestoben, um Ersatz zu besorgen. Und als sich der Trupp – einstweilen mit einer Zwischenlösung – schließlich wieder auf der Baustelle einfindet, zeichnet sich schnell das nächste Problem ab. Denn ursprünglich war geplant, den ganzen Stapel der Bleche samt Palette mit einem Hub auf der Dachkonstruktion abzusetzen. Doch dann stellte sich heraus, dass die Paneele falsch herum auf der Palette liegen. Somit ist ein Wenden der unhandlichen Teile unabdingbar. Das allerdings sei, so entscheidet der Vorarbeiter der Fassadenbauer, kein Handgriff, den man auf der Plattform einer Arbeitsbühne stehend in rund sechs Metern Höhe verrichtet. Somit bleibt nur, die Trapezbleche einzeln vom Stapel zu heben und dann auf dem Boden stehend umzudrehen, um sie daraufhin einzeln aufs Dach zu heben.

FEINFÜHLIGKEIT GEFRAGT

Das wiederum macht die an sich einfache Hubleistung zu einer durchaus anspruchsvollen Operation. Leicht nämlich könnte sich an diesem windigen Tag eine Bö in den ausladenden Teilen fangen, was nicht nur für die Monteure auf der Stahlkonstruktion, sondern auch für die Paneele selbst zu einem Problem werden könnte. Dann nämlich, wenn sie aus der zuvor genau ausgemessenen mittigen Position des angelegten Krangeschirrs gehoben werden würden. Ein Sturz aus mehreren Metern Höhe würde die Trapezbleche unbrauchbar machen. Diese Gefahr droht unterdessen auch beim Aufnehmen der einzelnen Blechstreifen: Die Gurte des Ladegeschirrs üben einen so starken Zug aus, dass sie drohen, die dünnen Bleche an dieser Stelle zu verformen. Dem Kranoperator bleibt daher nichts anderes übrig, als ausgesprochen behutsam zu manövrieren, um so die Belastung für das Material möglichst gering zu halten. Dank der präzisen V7-Funkfernsteuerung gelingt das allerdings vorbildlich. Spätestens mit dem Hub der dritten Paneele sitzt auch bei den Fassadenbauern jeder Handgriff. Kaum mehr als eineinhalb Stunden, geben sie sich zuversichtlich, dann wären alle Paneele an Ort und Stelle. Das sei auch gut so, ergänzt Fließ, schließlich sei morgen die Unterstützung seines F1150 bei der Montage der Y-Abspannung eines der großen Mobilkrane seiner Firma gefragt.