David gegen Goliath
Wenn in Schweden beim erstmaligen Testaufbau eines in Deutschland gebauten Mobilkrans ein Hilfskran zum Einsatz kommt, dann würde man eines ganz sicher nicht vermuten: Dass diesen Job ein Ladekran aus Italien übernimmt. Doch warum nicht? Im schwedischen Länna im Süden Stockholms assistiert ein Fassi F990 beim Aufbau eines Liebherr-350-Tonnen-Mobilkrans.
Am 11. Juli morgens um neun mühen sich Fredrik Wennberg und Peter Olovssen auf dem Binsell-Firmengelände in Länna, einen Sattelauflieger flottzubekommen, bei dem es ein Problem mit der Steuerung der Lenkachsen gibt. Am Ende beschließen die beiden, die Lenkung stillzulegen, denn der Auflieger wird heute bei einem Binsell-Einsatz dringend gebraucht. Binsell, das ist der größte Verleihstützpunkt für Liebherr-Krane im Großraum Stockholm und in den letzten Jahren mächtig gewachsen. Das fällt bereits beim ersten Blick über das Firmengelände auf – in der Servicehalle stehen nicht weniger als fünf Mobilkrane bereit, auf einem Großteil der zur Verfügung stehenden Fläche machen sich die Sektionen diverser zerlegter Turmkrane breit und das ganze Areal scheint förmlich aus allen Nähten zu platzen. Im Umfeld des hier vorherrschenden Gelbtons der Marke Liebherr unterdessen verliert sich beinahe ein Fahrzeug, das genau genommen überhaupt nicht hierhin passt: Ein in edlem Grau auftretender Volvo- FH-500-Vierachser mit leuchtend gelb lackierten Rädern und einem direkt hinter dem Fahrerhaus montierten, ebenfalls in Gelb gehaltenen Fassi-F990-Ladekran, eines der Fahrzeuge von Upplandskranar. Geschäftsführer und Inhaber Fredrik Wennberg arbeitet schon seit Jahren eng mit Binsell zusammen. Bei ihrem eingespielten Teamwork konzentrieren sich beide Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen. Binsell stellt das Know-how und das Equipment für Schwerlastkranarbeiten, Upplandskranar leistet logistische Unterstützung. Und die ist durchaus notwendig. Denn die hubstarken Mobilkrane sind im Normalfall nur mit einer Grundausstattung unterwegs, die zur Erzielung von größtmöglicher Hubleistung und Reichweite unterdessen, je nach Einsatz, um diverse Erweiterungen ergänzt werden muss. Insbesondere große Höhen nämlich verlangen zur Erzielung der nötigen Stabilität nach einer höchst wirksamen Abspannung. Und hier liegt die Krux: Das Handling der erforderlichen Anbauteile kann der Kran selbst nicht mehr leisten, weil die unverzichtbare Abspannung erst nach der vollständigen Montage der jeweiligen Endkonfiguration hergestellt werden kann. Hier ist also – mit anderen Worten – ein leistungsstarker Hilfskran erforderlich. Genau diese Lücke im Binsell-Portfolio besetzt Wennberg nun mit seinem FH 500 und dem Fassi-Ladekran. Eine Kombi, die mit einem weiteren Detail aufwartet: Das Kranfahrzeug ist zusätzlich mit einer bei seiner Länge von über 11 Metern in Deutschland völlig undenkbaren Sattelplatte ausgestattet! So kann der Truck in Kombination mit einem Sattelauflieger gleich den Transport etwa von Kranverlängerungen oder Teilen der Abspannung übernehmen. Immerhin 20 Tonnen, erklärt Wennberg, darf er bei dieser Konstellation noch laden. So rollt denn auch eine halbe Stunde später der FH 500 als Zugfahrzeug mit einem Tieflader im Schlepp durch das Binsell-Tor auf den das Industriegebiet in gesamter Länge durchmessenden Speditionsvägen. Lange währt die Fahrt nicht, denn nach einer einfachen Rechts-links- Kombination biegt das Gespann vom Fräsarvägen aus bereits wieder auf ein weitläufiges Gelände ein. Transport etwa von Kranverlängerungen oder Teilen der Abspannung übernehmen. Immerhin 20 Tonnen, erklärt Wennberg, darf er bei dieser Konstellation noch laden. So rollt denn auch eine halbe Stunde später der FH 500 als Zugfahrzeug mit einem Tieflader im Schlepp durch das Binsell-Tor auf den das Industriegebiet in gesamter Länge durchmessenden Speditionsvägen. Lange währt die Fahrt nicht, denn nach einer einfachen Rechts-links-Kombination biegt das Gespann vom Fräsarvägen aus bereits wieder auf ein weitläufiges Gelände ein.
EINARBEITUNG AUF EIN NEUES ARBEITSGERÄT
Hier warten bereits Kranführer Bosse Bizzarina und sein Team, um gemeinsam mit Wennberg die tags zuvor begonnene Arbeit fortzusetzen: Den erstmaligen testweisen Aufbau der maximalen „TYVENH-Konfiguration“ beim bislang größten Neuzugang von Binsell, einem sechsachsigen Liebherr LTM 1350-6.1. Weil das Trumm die knapp bemessenen Dimensionen des Firmengeländes komplett sprengen würde, hat das Unternehmen einen in unmittelbarer Nähe gelegenen Schotterplatz angemietet, um dort den Aufbau dieser Krankonfiguration gemeinsam mit Wennbergs Upplandskranar durchzuspielen. Der mächtige Sechsachser steht an diesem Morgen bereits auf seinen massiven Abstützungen und der Ausleger ist längst um die spektakuläre Y-Abspannung und das komplexeste Anbauteil, das allein schon 8 Tonnen schwere, gewaltige Fly Jib, sowie das Anlenkstück erweitert worden. Heute will das Team um Kranführer Bizzarina unter Anleitung des zur Einarbeitung des Teams aus dem Liebherr-Werk Ehingen abkommandierten Phillip Lang nun mit dem Anbau zweier Gittermastsegmente, eines dazwischenliegenden Reduzierstücks und des Kopfstücks die Montage des Krans vervollständigen. In der gewählten Maximalkonfiguration würde der LTM 1350-6.1 unter Ausnutzung sämtlicher (von ingesamt sieben möglichen) Erweiterungen dann bis zu 140 Meter hoch reichen. Da es diesmal indes nur um einen testweisen Aufbau geht, werden trotz des vollständigen Aufbaus der Abspannung heute fünf Erweiterungen weggelassen. Das erspart es Wennberg, sein Kranfahrzeug während der Vervollständigung des Riesenbabys umzusetzen. Dennoch will der Standort seines Trucks mit Bedacht gewählt werden: Allein die noch fehlenden Anbauteile erreichen eine Gesamtlänge von 27 Metern. Da gilt es, um die 84,30 Tonnenmeter Hubkraft des F990 optimal auszunutzen, Truck und Ladekran in etwa in der Mitte aufzustellen. Ob sich die gewählte Aufstellung am Ende bewährt, muss sich aufgrund fehlender Erfahrungswerte erst noch zeigen. Denn wie gesagt, es handelt sich um eine Übung. Das ist auch der Grund, warum Wennberg die benötigten Verlängerungen sowie Reduzier- und Kopfstück, obwohl sie längst auf dem Gelände bereitstehen, zunächst auf den Tieflader hebt, um das Handling der Teile und die Montage des Krans so zu üben, wie es dem normalen Ablauf entsprechen würde. Zunächst steht heute die Montage der auf das Anlenkstück folgenden ersten Verlängerung an. Um das Teil an den Haken zu nehmen, muss sich der F990 schon beachtlich schräg nach hinten strecken. Kaum hat das 12 Meter lange Gittermastsegment den Boden unter sich eingebüßt, meldet sich die dynamische Überlastabschalteinrichtung FX901 des Fassi-Krans mit einem Warnton. Sicher, Ausleger und Jib sind noch lange nicht am Ende ihrer maximal möglichen Ausladung von 32 Metern angekommen, doch immerhin bringt dieses Segment 1,4 Tonnen auf die Waage. Einen kleinen Moment braucht Wennberg zur Orientierung, um sodann mit zugeschalteter Extra Power (XP) den Hub vollständig auszuführen. Kein Wunder: Es ist der erste Fassi-Kran des erfahrenen Kranführers und noch dazu der erste Einsatz! Erst die Woche zuvor hat er den FH 500 mit dem Fassi F990 eigenhändig vom Fahrzeugbauer Lyma in Buchen bei Würzburg die über 1600 Kilometer lange Strecke nach Schweden gesteuert.
MAXIMALE KUNDENORIENTIERUNG
Olovssen und Bizzarina indessen beeindruckt der kurze Moment der Unsicherheit nicht die Bohne. Sie kennen Wennberg schon seit Jahren und wissen, dass sie sich auf ihn verlassen können. Bis 2012, dem Jahr der Gründung seiner eigenen Firma Upplandskranar, hat der heute 30-Jährige, wie er freimütig bekennt, als freier Kranoperator Monat für Monat jeweils zwei Wochen lang bei Binsell gearbeitet, während er in den anderen zwei Wochen bei der Arbeit als Kranoperator auf einer norwegischen Gasplattform in der Nordsee das Kapital für seine Firmengründung verdiente. Bevor es beim Aufbau des Liebherr-Krans weitergehen kann, muss nun allerdings erst einmal das Fly Jib von der Transport-in die Arbeitsstellung gebracht werden, ein Vorgang, der beim erstmaligen Aufbau schon seine Zeit in Anspruch nimmt. Die so entstehende Pause bietet die beste Gelegenheit für eine kurze Einführung, vor allem in jene Extras von Wennbergs Truck, die nicht auf Anhieb auffallen. Die als Kugelzapfen ausgeführten Aufnahmen zur Montage zweier unterschiedlich langer Wechselbrücken-Plattformen etwa, die Wennberg nutzt, wenn er und sein Truck für den Aufbau der typischen schwedischen Holzhäuser gebucht wird. Oder die mehrere hundert Watt starke Hifi-Anlage im Fahrerhaus. Nicht zu vergessen die zahlreichen aus schmucken schwarz lackierten Krähenfußblechen gebauten Staufächer, in denen Wennberg nicht nur ein Großteil seines Krangeschirrs unterbringt, sondern etwa auch eigenes Werkzeug, das bei der Montage der Holzhäuser gebraucht wird. Denn dank der V7H-Funkfernsteuerung ist der Unternehmer während seiner Einsätze auf der Baustelle komplett mobil und hilft, wenn sein Kran gerade nicht gebraucht wird, ebenso bei der Montage von Bindern und Fertigteilen von Holzhäusern wie hier bei Binsell als Anschläger. „You always have to make customers happy“, scherzt er, während er sich behände auf die Auslegererweiterung des LTM 1350-6.1 schwingt und Olovssen beim Einschlagen der Montagezapfen assistiert. So schreitet die Montage des Krans zügig voran. Gegen Mittag ist der Aufbau nahezu abgeschlossen. Lediglich das Hubseil muss, nachdem es die entsprechenden Umlenkrollen des Fly Jibs passiert hat und zunächst seitlich neben dem Ausleger abgelegt wurde, noch bis zum Kopfstück ausgezogen und über die Hakenflasche geführt werden. Bei dem beachtlichen Gewicht des deutlich mehr als daumendicken Drahtbündels empfiehlt sich für diesen Arbeitsschritt ebenfalls die Zuhilfenahme des Fassi-Assistenzkrans der Teleskopausleger des LTM 1350-6.1 ausgefahren wird. Genau auf diesen Moment fiebern alle Akteure auf dem Platz hin. Doch dann wird klar, dass es an diesem Tag nicht bis dahin kommen wird. Zu umfangreich ist die vorgeschriebene Testroutine, die diesem Schritt voranzugehen hat. So beschließt das Team um Bizzarina, diesen letzten Schritt auf den nächsten Tag zu verschieben. Fredrik Wennberg wird dabei nicht gebraucht und richtet sich derweil auf den nächsten Job ein, den er am folgenden Tag in Uppsala, dem Ort, an dem sein Unternehmen beheimatet ist, übernehmen wird. Der Unternehmer ist von zupackender Natur. In fünf Jahren, so sein Plan, soll sein Truck abbezahlt sein.